Donnerstag, 17. Mai 2012

Höflichkeit versus Ehrlichkeit?

„In der heutigen Gesellschaft wird Höflichkeit leider oft höher bewertet als Ehrlichkeit. Im Zweifel würde ich mich aber trotzdem für die Ehrlichkeit entscheiden.“

Eine Facebook-Statusmeldung, die mich immer noch nachdenklich macht… es wäre traurig, wenn es wirklich so bleiben würde.

Ich habe damals spontan geantwortet, dass ich von den Menschen, die mir wichtig sind immer Ehrlichkeit erwarten würde. Was bringt mir denn reine Höflichkeit?

Ich möchte schon wissen, wie man zu mir steht und würde erwarten, dass man es mir sagt, wenn ich mich falsch verhalte. Nur so kann ich doch entscheiden, ob ich wirklich auf dem richtigen Weg bin oder ob da gerade tatsächlich etwas verkehrt läuft bei mir. Ob ich die Bemerkung dann ernst nehme oder nicht, oder ob ich eventuelle Kritik annehme, bleibt mir immer noch selber überlassen. Aber ich würde es gerne wissen wollen.

Das fängt ja schon mit kleinen Dingen an, z.B. was ziehe ich an? Kleidung kaufen ist oft stimmungsabhängig und ich könnte mich nicht davon freisprechen, dass ich, wenn ich wirklich mal nach Herzenslust einkaufen gehen könnte, nicht zu einigen Teilen greife würde, die einfach nur meiner übermütigen Kaufstimmung entsprechen.

Spricht auch nichts gegen, für mich ist Mode sowieso etwas, was mir gefallen muss, egal ob es nun im Trend liegt oder nicht. Sollte ich aber mal total daneben gegriffen haben, würde ich es wissen wollen. Scheint aber nicht allen so zu gehen.

Der eine oder andere entsetzte Blick hat mich schon getroffen, wenn ich zu jemandem gesagt habe, dass das was er/sie gerade an hat, nicht wirklich gut passt. 

Aber ich sage ja auch wenn mir etwas gefällt. Warum dann nicht auch umgekehrt? Selbst damit eckt man sogar an. Man bekommt dann so Sätze zu hören wie: „Boah, willst du dich einschleimen?“ oder „Hör sie dir an, die tönt heute wieder rum“. Warum nicht? Ich sehe etwas und sage meine Meinung dazu, nicht mehr und nicht weniger. Ich freue mich auch, wenn man mir sagt: „Die Bluse steht dir… oder ähnliches“. Aber eben nur, wenn es ehrlich gemeint ist und keine höfliche Floskel.

Natürlich kenne ich auch Situationen, wo man ins Überlegen kommt. Kann ich zum Beispiel Arbeitskollegen sagen, dass sie entsetzlich nach Schweiß riechen? Steht mir das zu? Weil man hier einen Intimbereich betritt, der eigentlich eher von Freunden abgedeckt werden sollte oder der Familie. Man weiß ja nicht, ob nicht vielleicht eine Krankheit dahinter steckt. Nur, was wenn jeder so denkt? Was wenn er/sie es wirklich nicht weiß oder selber merkt? Würde ich so was nicht wissen wollen?

Da stößt man schon an eine kleine Grenze und zieht sich höflich zurück (oder eher unsicher) man möchte ja auch niemanden verletzen. 

Führungspositionen sind auch eine heikle Sache. Kann ich meinem Chef sagen, dass er sich etwas ausdenkt, was sich gar nicht auf diesem Wege realisieren lässt? Anweisungen, die in der Praxis schwer umsetzbar sind?

Da sollte man schon vorher einschätzen, wie das ankommt. So was macht man ja auch nicht in der Probezeit, sondern erst wenn man sich etwas besser kennt. 

Ich hatte bisher Glück und habe immer Vorgesetzte gehabt, denen man schon seine eigenen Ideen und Einschätzungen mitteilen konnte. Ob es dann angenommen wird, ist auch hier wieder ein anderes Thema, aber ich würde es zumindest aussprechen. Auch ein Chef oder eine Chefin kann nicht an alles denken, oder übersieht schon mal den einen oder anderen Vor- oder Nachteil, im Gegensatz zu Leuten, die tagtäglich damit arbeiten. Ich würde in so einer Position gerade darauf hoffen, dass man mir ins Gesicht sagt, was man von den neuen Ideen oder Aufgaben hält, vielleicht kommt ja so etwas noch Besseres heraus.

Ich habe zum Beispiel auch ein Ärztepaar als Hausarzt, welchem ich blind vertraue. Ich bin mir bei den beiden Brüdern 100 % sicher, dass sie mir sagen, was ich habe, auch wenn es vielleicht unangenehm ist. 

Nachdem ich nun seit dem Herbst in trauter Zweisamkeit mit meinem Schweinhund spazieren gegangen bin, anstatt ihm selber Beine zu machen, ging das nach meinem Arztbesuch im Frühjahr ganz fix. Da wurde nämlich ein zu hoher Blutdruck festgestellt und nachdem ich mich immer gegen regelmäßige Einnahmen von was auch immer wehre, bekam ich gleich zu hören, dass Abnehmen auch helfen würde und zwar schleunigst. Er hätte es auch höflicher verpacken können. Aber hätte es geholfen? Ich bin nach Hause und habe seit diesem Tag, meine Süßigkeiten auf ein Minimum reduziert. 

Das ging auch auf einmal. Ich musste nur an das Gespräch denken. Ich habe jetzt keine Süßigkeiten mehr im Haus und im Büro ignoriere ich auch tapfer sämtliche Sammelstellen. Ab und an sündige ich schon, aber ganz bewusst und es schmeckt dann dreimal so gut wie früher. 

6 Zentimeter weniger rundherum und die ersten 8 Kilo haben meinen Lieblingsköter ganz schön zerknirscht gucken lassen. Herr Schweinehund läuft nur noch sporadisch mit eingekniffenem Schwanz durch meine Wohnung, jawohl. Das macht sogar Spaß, nachdem der erste Erfolg zu sehen ist!

Nachdem ich von meinem Arztbesuch erzählt habe, haben die meisten gesagt: „Wie unverschämt, da würde ich den Arzt wechseln, wenn der so mit mir redet!“. 

Ich bin immer noch froh, dass er es getan hat und fühle mich viel wohler.

Ach, es gibt so viele Situationen, wo ich mir mehr Ehrlichkeit wünschen würde. 

Es spricht ja nichts gegen Höflichkeit, ich mag höfliche Leute. Ich genieße es, wenn mir jemand den Stuhl zurechtrückt oder mir die Türe öffnet (ja, manchmal bin ich gerne altmodisch) Ich bevorzuge Menschen, die noch „Bitte“ und „Danke“ oder beim Hereinkommen „Guten Tag“ sagen können. 

Ich rechne es Leuten hoch an, wenn sie die Stärke besitzen sich entschuldigen zu können.
Man muss ja nicht gleich alle Werte vergessen oder gar keine Achtung vor einander haben. Aber Ehrlichkeit ist für mich immer noch das Wichtigste und zumindest von meiner unmittelbaren Umgebung erwarte ich sie. 

Wen ich nicht mag, oder wer mir völlig egal ist, der darf auch gerne höflich zu mir sein, weil das sowieso an einem Ohr rein und am anderen wieder raus geht. Da bin ich jetzt auch ehrlich. Ich beschäftige mich nur noch mit Menschen, die mir wichtig sind oder die ich respektieren kann, der Rest kann gerne machen was er will. Zu dieser Erkenntnis kommt wahrscheinlich jeder in seinem Leben, der eine früher, der andere später, ich glaube ich liege  gut im Mittelfeld.

Und überhaupt: Höflichkeit kann auch mal ins Auge gehen ohne es zu wollen. Das würde ich zumindest gerne dem jungen Mädchen mitteilen, welches mir letzte Woche im Bus ihren Platz angeboten hat, mit den freundlichen Worten: „Setzen sie sich doch in ihrem Zustand“ *ggrrrr* 

Ja, ich weiß, selbst schuld. Aber ich ziehe nun mal gerne diese leichten Hängerchen an, wenn es warm ist. Mag sein, dass die etwas umstandsmässig aussehen, aber sie sind eben auch bequem. Ja, ich weiß auch, dass das ein nettes Mädchen war, weil sie mir Platz gemacht hat. Ja, ja, ja….. ich mag sie trotzdem nicht *lach*

So, und nun schließe ich mit einem weiteren Facebook-Fundstück:




So isses. Punkt. 



Höflichkeit versus Ehrlichkeit?
Was würdet ihr bevorzugen?