2012 habe ich hier an dieser Stelle das Fersensporn-Drama an meinem rechten Fuß beschrieben (Wann gibt es endlich gute Ärzte auf Rezept?) das Ganze hat über ein Jahr gedauert, bevor ich wieder schmerzfrei laufen konnte.
Durch einen kleinen Unfall im letzten Urlaub am Bodensee, habe ich mir dann anscheinend so einen verkorksten Schongang über Wochen angewöhnt, dass ich mir am linken Fuß einen weiteren Fersensporn eingefangen habe...der Trend geht wohl zum Zweitsporn.
Schlecht, wenn man mittlerweile einen Job hat, wo man die meiste Zeit zu Fuß unterwegs ist. Das macht sich dann zwar gut im Fitness-Tracker, ist aber für den Arbeitsalltag eher ungeeeignet, wenn jeder Schritt weh tut. Wenn es dann irgendwann so weit gekommen ist, dass man nicht mal mehr auftreten kann, wird so ein Fersensporn schnell zur Qual und schränkt das Leben gewaltig ein.
Man kann sich also vorstellen, dass die letzten Wochen nicht wirklich angenehm waren. Längere Cachetouren sind ausgefallen, ebenso wie ausgedehnte Spaziergänge oder das Rumhüpfen bei Gymondo. Da wir seit Anfang des Jahres auch abnehmen, wurde das Ganze immer ärgerlicher. Auch im Büro gab es Probleme, wenn man ständig zwischen zwei Etagen unterwegs sein soll, aber nicht wirklich kann. Nach einem Arbeitstag gab es abends nur noch die Couch, mehr war einfach nicht mehr machbar und selbst das Wochenende hat oft nicht zum Erholen gereicht.
Bis zu dem Tag, wo mir empfohlen wurde mal "Schwester Jubilata" zu googlen.
Schwester Jubilata??? Ne, ist klar. Soll ich meinen Fersensporn jetzt weg wünschen lassen oder besprechen? Hier muss gesagt sein, dass ich eher der Realist im Alltagsleben bin. Jeder Zeit bereit die Phantasie schweifen zu lassen, bin ich was das tägliche Leben angeht doch eher auf dem Boden der Tatsachen zu finden. Aber da mein übliches System "Wir ignorieren den Schmerz, dann verschwindet er auch wieder" diesmal nicht funktioniert hat, mussten wohl neue Wege her.
Mit gemischten Gefühlen las ich also erst einmal den Artikel, den Google mir bevorzugt präsentierte: Schwester Jubilata und der Schmerz
Ok, das klang jetzt nicht nach "Du musst nur fest dran glauben", eher ein wenig erschreckend, denn ich wollte ja Schmerzen loswerden und mir nicht neue zulegen. Kurz um, ich habe drei Tage gebraucht, bis ich mich getraut habe den Telefonhöhrer in die Hand zu nehmen und bei Schwester Jubilata anzurufen...
...um 10 Minuten später völlig fasziniert wieder aufzulegen, mit einem Termin in der Oberpfalz ein paar Tage später. Ich wusste immer noch nicht, worauf ich mich genau einlasse, aber ich hatte eine entzückende Jubilata am Telefon, die wahnsinnig sympathisch und freundlich war, so dass man schon bei diesem kurzem Gespräch das Gefühl hatte, da breitet jemand die Arme aus und ich muss nur nach hinein springen.
Am letzten Samstag war es dann soweit. Wir fuhren früh los und standen pünktlich um 09.00 Uhr mit gemischten Gefühlen vor dem Kloster Strahlfeld. Das Haus der Begegnungen ist ein freundliches offenes Gebäude im Kloster und wir durften gleich hoch in den 2. Stock zum Wartezimmer von Schwester Jubilata gehen.
Diese erschien auch wenig später mit einem spitzbübigem Lachen und einer weiteren Mitarbeiterin.
Ich wurde mitgenommen in den angrenzenden Raum, den ich neugierig betrat. Zu meinem Entsetzen wurde mir gesagt, dass Ingo draussen warten sollte. Da man mir meine Panik wohl angesehen hat, sollte ich selber entscheiden, ob er dabei sein sollte, zumindest bis ich das böse Wort "Fersensporn" ausgesprochen hatte. Das änderte noch einmal alles.
*Oh. Fersensporn... dann werden wir noch einmal den Raum wechseln und dann kann ihr Mann auf keinen Fall mitkommen. Sie werden schreien, da sollen sie sich nicht schämen* Kaum ausgesprochen betraten wir einen kleineren isolierten Raum, ganz ohne den Mann, der immer und überall meine Stütze ist und ohne den ich sowas nie geplant hätte.
Aber jetzt gab es kein zurück mehr, da musste ich nun durch...
"Wissen Sie, was auf sie zukommt?" war die nächste Frage. Ich gebe zu, da schluckt man schon erstmal. Natürlich wusste ich ungefähr, was mich erwartet, aber wollte ich es wirklich genau wissen?
Eigentlich war es ja ganz einfach:
- Schmerzquelle bzw. Schmerzpunkt finden
- Holzstab ansetzen
- Schmerzquelle zerstören
- Schmerz weg
Klingt jetzt nicht nach einer großen Geschichte.
Vorher noch die Auswahl zwischen Stresskissen oder Kuscheltierchen, ich brauche Beistand, also natürlich die Kuscheltiere. Rechts und links in die Hand genommen, wegen mir können wir!
Kann losgehen.
Die medizinische Kurzfassung würde wohl folgendes beinhalten:
Zerstörung der Fersenfortsätze am linken und rechten Fuß inkl. aktivieren der weiteren Problemzonen.
Das emotionale Chaos in meinem Körper ging von "Das überlebe ich nicht!" bis hin zum "Lass es einfach nur bald vorbei sein".
Laut Ingo hat man meine Schreie noch zwei Räume weiter im Wartezimmer gehört.
Der Moment, wenn sich der Holzstab in deine Ferse bohrt, wenn er unter der Haut die Kalkablagerungen zerbröseln lässt und du das Gefühl hast, der Schmerz bohrt sich auch gleichzeitg in dein Gehirn. Die Erleichterung, wenn er kurze Zeit später aufhört und nur nach ein Brennen die Stelle markiert. Man kann sich das sicher kaum vorstellen. Aber der Schrei kommt von alleine, da denkt man gar nicht nach, der ist einfach raus, bevor man ihn selber spürt.
Ich sei sehr robust, da hätte es schon Lautere und Wehleidigere gegeben, wurde mir mitgeteilt.
Aber ausnahmsweise wollte ich mal keine Statistik hören oder erfüllen, ich wollte einfach nur, dass es vorbei ist...
Aber...nach den ersten 10 Minuten, kam auch die erste Laufpause. Ein paar Schritte gehen um zu schauen, wo es noch brennt und schmerzt. Schon da habe ich gemerkt, dass ich einfach Aufstehen konnte, ohne Schmerzen beim Hinstellen. In den letzten Monaten war ich Etappenaufsteher. Erste Etappe: hinstellen (warten bis der Schmerz nachlässt) 2. Etappe: vorsichtig losgehen, meist humpelnd. Anlaufschmerz nennt sich das medizinisch.
Ich konnte es am Anfang gar nicht begreifen, bin automatisch humpelnd gelaufen, der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier. Aber irgendwann kam die Erkenntnis: Das tut ja gar nicht mehr so weh. Mit jeder Laufpause verschwand ein weiterer Bereich und mit jeder Behandlung und jedem Holzstäbchen-Einsatz wurde es besser und besser.
Zwischendurch gab es Kosmetik-Tipps (hätte ich jetzt in einem Kloster eher nicht erwartet) das Holzstäbchen wanderte noch zu anderen Stellen (Ah, sie haben auch Probleme mit der Nackenmuskulatur, sitzen sie oft am PC?" oder "Ich zeige ihnen jetzt einmal die Stellen, die sie selber behandeln müssen, damit ihr Halux nicht schlechter wird") Ich bekam Ernährungs-Tipps, hörte Anekdoten zu über Behandlungen und bekam Einblicke in die Klosterwelt.
Sobald mein Puls wieder im halbwegs normalen Bereich war, ging es weiter. Die beiden Kuscheltiere habe ich nicht eine Sekunde losgelassen, sie waren mein Halt.
Irgendwann fiel es mir schwer zu unterscheiden, was nun die eigentlichen Schmerzen und was Behandlungsschmerzen waren. Ich konnte keine Schmerzpunkte mehr bestimmen, obwohl die Ansage eindeutig war: "Sie gehen hier erst raus, wenn alles weg ist".
Um das Ganze mal abzukürzen, bevor die Leser vor den Bildschirmen einschlafen: aus 10 Minuten Behandlung sind insgesamt 45 Minuten geworden und zum Schluß endete es damit, dass ich ohne Schmerzen das Kloster verlassen habe, also genauer gesagt, ohne die Schmerzen, mit denen ich es betreten hatte.
Das Gefühl kann sich keiner vorstellen, der es nicht selber miterlebt hat, denke ich.
Erleichterung, Erschöpfung... umringt von lachenden freundlichen Menschen, ich hätte heulen können...
Jetzt einen Tag später, geniesse ich jeden Schritt. Ich kann Aufstehen ohne Schmerzen und Wartezeiten, ich kann stehen, laufen und hüpfen (ja, auch das habe ich probiert, einfach weil es ging...) Ganz tief drinnen spüre ich noch ein Unbehagen, einen leichten Druck, der in wenigen Fußstellungen geringfügig schmerzt. Ich weiß nicht, ob doch noch was übrig ist, was wir gestern nicht erwischt haben, oder ob es eine Empfindlichkeit durch die Behandlung ist.
Kann sein, dass wir dann einen weiteren Termin brauchen. Einen Termin, der noch mehr Mut kostet, weil ich jetzt die Schmerzen kenne, die auf mich zukommen. Aber ich würde keine drei Sekunden zögern, sondern sofort zum Telefonhörer greifen und einen Termin ausmachen.
Laufen ohne Schmerzen - es kann so schön sein :-)
***
Hier noch ein paar Informationen zum Fersensporn selber:
Beim Fersensporn handelt es sich um eine Verknöcherung in den Fersenstrukturen. Durch verschiedene Formen der Fehl- oder Überbelastung kann es zu Mikroverletzungen kommen, in deren Folge der Sporn – oder auch Fersensporn – entsteht.
Typische Symptome eines Fersensporns sind:
- stechende Fersenschmerzen
- dumpfe und unregelmäßige Fersenschmerzen, auch ohne Belastung
- Anlaufschmerzen in der Ferse
- Knöchelschwellung
- Druckempfindlichkeit an den Sehnen
Im weiteren Verlauf führen die durch Reizung auftretenden Entzündungen zu stärkeren Schmerzen in der Ferse und zu weiterer Verknöcherung. Dadurch wird der Fersensporn bzw. Fersensporn immer größer und problematischer. Die Fersenschmerzen nehmen zu.
Hier die Kontaktdaten:
Sr. Jubilata Marder
Haus der Begegnung
Kloster St. Dominikus, Strahlfeld
Hofmarkstr. 14a
93426 Roding
Tel. (09461)911272
hdb@kloster-strahlfeld.de