Dienstag, 13. Dezember 2011

Das gedruckte Wort – vom Aussterben bedroht?

Nachdem ich mich im letzten Jahr noch gefreut habe, dass fast jeder 4. oder 5.  in der U-Bahn ein Buch oder die Zeitung liest, hat sich das Bild mittlerweile deutlich gewandelt.

Von den jungen Leuten (wie sich das anhört, als wäre ich alt und ergraut) hat fast jeder ein Handy zur Hand, entweder mit Direktleitung zum Ohr oder den wild tippenden Fingern. 
Da werden morgens schon Bilder oder Songs ausgetauscht oder schnell noch die letzten Nachrichten geschrieben. Kaum einer benutzt noch ein normales Standardhandy, es sind meist die aktuellen Handys mit sämtlichen Funktionen die es mittlerweile so gibt (die Taschengelder heutzutage müssen deutlich angestiegen sein, wenn ich mir das so anschaue…)

Aber auch der Rest der Welt hält immer mehr Geräte à la Blackberry und Smartphone in der Hand und in letzter Zeit tauchen immer mehr iPads, sonstige Tablets und eBook-Reader auf. Ich habe die Begriffe nicht extra verlinkt, weil ich hier nicht näher auf die technischen Details eingehen möchte, das würde zu weit führen. 

Nur kurz: Ein  „eBook“ (von engl. electronic book) versucht im weitesten Sinne, das Medium Buch mit seinen medientypischen Eigenarten in digitaler Form verfügbar zu machen. Es wird ergänzt durch das "ePaper", der elektronischen Zeitung.



Ich selber bin mir noch gar nicht sicher, was ich davon halten soll. Nachdem ich fast mein ganzes Leben mit Büchern verbracht habe und selber immer im Buchhandel und Verlagswesen gearbeitet habe (meine eifrigen Blogleser kennen die Geschichten vom Anfang des Blogs), versuche ich gerade herauszufinden, ob ich diese Entwicklung gut oder schlecht finde.

Ich bin schon jemand, der sich tief in die Weiten der digitalen Welt hinein bewegt hat und ich gebe offen zu, ohne Internet würde mir etwas fehlen. Ich habe mein Leben größtenteils über Internet- oder digitale Angebote organisiert, nutze alles  gerne überall und jederzeit erreichbar und es erspart mir auch eine Menge Zeit. Darauf würde ich mittlerweile ungerne verzichten.

Ich bin ein eher fauler eMail-Schreiber, der gerne auch mal auf die Anrede verzichtet und in Kurzsätzen antwortet (ja, ich weiß, Asche über mein Haupt) 

Das macht mich zum perfekten Nutzer von Kurznachrichten, der schnellste und einfachste Weg mich zu erreichen. Das habe ich mir in der Zeit angewöhnt, die ich für AOL gearbeitet habe. Dort haben wir uns immer schnell via Bildschirm über Messenger verständigt. Fragen konnten direkt geklärt werden, fehlende oder aktuelle Informationen wurden gleich ausgetauscht und dadurch sind viele Wege (und Wartezeiten) im Firmenalltag weg gefallen. Man gewöhnt sich das schnell an und genießt den schnellen Informationsaustausch, beruflich wie privat. 

Das ist jetzt nur ein Beispiel, um zu zeigen, dass ich den Umgang mit neuen Medien durchaus als normal empfinde und dass ich den neuen Techniken gegenüber aufgeschlossen bin. Wer sperrt sich schon dagegen mit einfachen Mitteln Zeit und Nerven zu sparen?

Trotz alledem (um mal wieder auf das eigentliche Thema zurückzukommen) kann ich mir zurzeit noch nicht vorstellen auf meine Bücher in der üblichen Form zu verzichten oder auf Zeitungen.

Ein Buch in der Hand zu halten, das Umblättern der Seiten, der Geruch eines neuen ungelesenen Buches. Aber auch das Knistern von Zeitungsseiten – auf all das würde man verzichten, wenn es nur noch digitale Angebote gäbe. Für mich gehören diese eher „sinnlichen“ Eindrücke einfach noch dazu.

Meine Hauptargumentation war bisher, dass es viele Situationen gibt, in denen ich lese und wo mir das echte Buch fehlen würde. Beim gemütlichen Lesen im Bett oder auf der Couch, das Buch immer in der Tasche, jederzeit hervorziehbar und auf die Schnelle noch ein paar Seiten gelesen, weil es gerade so spannend ist. In der Sonne liegend, im Garten, am Strand oder wo auch immer. 

Das gilt auch für die Zeitung am Frühstückstisch. Ein ePaper kann man nicht teilen. Man kann nicht sagen: „Reich mir doch mal den Sportteil rüber…“ Zwei Menschen, die sich gegenüber sitzend und darüber reden was sie gerade gelesen haben – sähe das mit zwei Computern am Tisch nicht irgendwie seltsam aus? Wo bleibt da die Gemütlichkeit?




Natürlich sind das alles Gewohnheiten, die in 10 Jahren schon ganz anders aussehen können. Es gab schon einige Dinge, die wir uns sicher nie so vorgestellt hätten. 

Manchmal schleicht sich das Anpassen an neue Gewohnheiten klammheimlich an und arbeitet sich Stück für Stück an uns heran.

Ich kann mich da selber gar nicht von frei sprechen. Tatsächlich ist es schon so, dass ich mich morgens in die Bäckerei setze um zusammen mit meinem aktuellen Buch noch etwas vor der Arbeit abzuschalten. Aber es kommt immer öfter vor, dass ich dabei auch zum iPad greife, um schnell die abonnierten Serviceangebote (z.B. Blogs oder Nachrichtendienste) abzurufen, weil ich einfach neugierig bin, was woanders passiert ist. 

Auch beim Zeitungslesen weiß ich, das mich nie alles interessiert, was berichtet wird. Das ist so, wie man sich früher die typischen Sampler als CD gekauft hat, um dann festzustellen, dass man gerade mal die Hälfte der Songs wirklich gut fand. Heute stelle ich mir meine Lieblingsmusik selber zusammen und erstelle mir Listen, die je nach Stimmung ausgelegt sind.

Genauso habe ich mir im iPhone/Pad Nachrichtendienste zusammengestellt, mit den Themen, die mich interessieren. Ich höre schon die Stimmen, die da rufen: „Aber das ist ja gefährlich und einseitig, da bekommt man ja einige Dinge gar nicht mit!“

Ganz ehrlich? Würde ich sonst auch nicht. Auch in der echten Zeitung überblättere ich die Seiten, die für mich uninteressant sind. Auch eine echte Zeitung würde ich nicht kaufen, wenn die Schlagzeile mich kalt lässt. Was spricht dagegen, sich nur von dem berieseln zu lassen, was einen nicht langweilt und das Ganze auch noch bequem auf den Bildschirm geschickt bekommt, ohne dass man groß danach suchen muss? 

Oft ist das gedruckte Wort, am nächsten Tag schon wieder Schnee von gestern. Eine Online-Seite ist halt schneller aktualisiert. Hier kann ich davon ausgehen, dass ich wirklich aktuelle News lese und immer auf dem neusten Stand bin. 

Anders ist das bei den Fachzeitungen, die mich interessieren, die arbeite ich von vorne bis hinten auf. Aber auch die gibt es mittlerweile alle online, ich kann sie abspeichern und immer wieder abrufen, wenn ich eine bestimmte Information noch einmal lesen möchte, ohne mich durch Stapel voller Zeitungen zu arbeiten, die eine Menge Platz brauchen, wenn man sie über Jahre liest.

Mein Zeitungskiosk im Handy wird somit immer voller (abgesehen von zwei Zeitungen, die ich bei meinem Lottohändler ums Eck kaufe, einfach weil er mir sympathisch ist)

Ich freue mich auch immer noch auf meine Stadtteilzeitung, die mir sagt was unmittelbar um mich herum passiert und mich mit Angeboten aus den Geschäften versorgt, die es in meiner Nähe gibt. Aber selbst diese Zeitungen haben mittlerweile eigene Internetseiten, die ich täglich verfolge, genauso ausführlich wie die Zeitung selbst – was will ich da mehr? 

Was ich mir hier vielleicht noch wünschen würde, wäre eine gemeinsame Sache mit den Geschäften meiner Umgebung. Wenn diese sich aktiv an solchen Stadtteil-Seiten beteiligen würden (Angebote, Interviews, Mitarbeitervorstellung…) dann wäre auch wieder eine Bindung vorhanden, die man in der Discount-Welt von heute allmählich verliert.

Ich mag so etwas, aber ich glaube trotzdem, dass solche Internetseiten nur ein Wunschtraum von mir bleiben. Oder vielleicht in ein paar Jahren, wenn Online-Präsenzen noch selbstverständlicher geworden sind?

Also gut, ich gebe zu: beim Zeitungslesen überwiegt der Nutzen und die Bequemlichkeit, dafür würde ich sogar auf das Knistern beim Umblättern der Seiten verzichten. Ein wenig infiziert bin ich also schon.

Beim Buch ist das aber immer noch etwas anderes.

Zum Beispiel, wenn man in den Urlaub fährt. Wenn der Koffer sowieso schon überfüllt ist, dann fallen 2-3 Bücher schon ins Gewicht (wenn man, wie ich, schnell liest, dann sind es eher mehr) da wäre so ein eBook-Reader im Handgepäck schon nett. Vor allem könnte ich mir die Bücher auch spontan aussuchen und herunterladen, je nach Urlaubsstimmung. Aber… kann ich mein elektronisches Wunderteil im Strand auf dem Handtuch liegen lassen, um mal kurz ins Wasser zu springen? Gut, auf einer einsamen Insel vielleicht, aber in jedem normal belebten Urlaubsort, würde ich das eher nicht versuchen, es sei denn Geld spielt keine Rolle.

Das gilt auch für meine heimatliche Badewanne. Ein Glas Wein, ein gutes Buch… himmlisch. Genau das Richtige zum Entspannen. Kann ich natürlich auch mit dem eBook. Aber… wie verhält es sich hier mit der Feuchtigkeit? Ich bade ja keine 10 Minuten und ich liebe es nun mal schön heiß. Verträgt mein elektronisches Spielzeug eventuell auch ein unfreiwilliges Tauchbad und kommt es bei den Badezimmertemperaturen nicht ins Schwitzen? Ich habe bei den naturwissenschaftlichen Fächern nicht wirklich aufgepasst, aber das Wenige was hängen geblieben ist, sagt mir, dass dies eher nicht so gut wäre für ein langes Zusammenleben. Oder irre ich mich?

Um wirklich nur ganz kurz auf ein anderes Örtchen zu sprechen zu kommen (ich weiß, da redet man nicht drüber): wenn man nicht gerade zu den Leuten gehört, die dort längere Sitzungen abhalten, würde ich mir mit einem iPad in der Hand ganz schön blöd vorkommen ;-)

Ich habe vor kurzem in einer Diskussion zum Buch "Die Unperfekten" von Tom Rachman, gelesen, dass es einen Unterschied macht, ob man etwas lesen muss oder will. Vielleicht ist der Ansatz gar nicht so dumm. Auch für mich scheint das zu gelten.

Ich greife immer öfter zum digitalen Gerät, wenn ich schnell etwas nachlesen möchte. Hand aufs Herz: wer hat zum letzten Mal im Brockhaus nachgeschlagen um sich zu informieren und wie oft schaut man selber bei Wikipedia nach oder googelt? 

Blättere ich im Weltatlas nach oder schaue ich mir die Satelliten-Fotos auf Google Earth an, wenn ich etwas über ein Land wissen möchte?

Besorge ich mir eine Karte (die vor mindestens einem Jahr gedruckt wurde), wenn ich in einer fremden Stadt bin oder aktiviere ich einfach meine Navigation im Handy (nachdem ich mir die aktuellen Kartenausschnitte am Vortag herunter geladen habe?)

Ähnlich geht es mir mit Fachliteratur, wenn ich mich nur kurz über etwas informieren möchte. Da lohnt in den meisten Fällen kein (teurer) Sachbuchkauf, wenn ich es auch online abrufen kann.

Ja, so langsam dämmert es mir. 
Auch ich habe mich schon von etlichen Gewohnheiten getrennt. 

Vor kurzem habe ich im iPad entdeckt, dass ich zu jedem Buch, welches mich interessiert Leseproben gratis herunterladen kann. Das nutze ich seitdem ausgiebig und hat mich schon vor so mancher schlechten Buchauswahl bewahrt. Die Auswahl ist einfach beachtlich.

Dadurch habe ich auch gemerkt, wie komfortabel das Lesen mit dem eBook sein kann. Vor kurzem hatte ich einen „Kindle“ in der Hand, der mir das Ablehnen von digitalen Büchern fast leicht gemacht hat. Er ist zwar handlich und mit blendfreiem Bildschirm, aber es macht mir einfach keinen Spaß mit dem unansehnlichen Teil zu lesen. Am Anfang war ich völlig verwirrt, weil sich die Seiten nicht durch einfaches Streichen umblättern ließen, ich sollte tatsächlich Tasten drücken. Ok, ich gebe zu, da outet sich die dekadente Denkweise eines Tablet verwöhnten Users.

Aber wenn ich schon digital Bücher lese und dabei auf meine normalen Lesegefühle verzichte, dann möchte ich wenigstens ähnliches empfinden als Ersatz. Dazu zähle ich ein beleuchtetes Display, ein Umblättern der einzelnen Seiten durch leichtes Ziehen am „Buch“rand, die Möglichkeiten eigenhändig die Schrift vergrößern zu können und das Merken der letzten Seite, die ich gelesen habe, auch wenn kein Lesezeichen zur Hand ist. Das leichte Gewicht im Gegensatz zum gebundenen Buch ist auch in manchen Situationen nicht zu verachten.

Es ist für mich aber auch noch eine Kostenfrage. Ich lese mindestens 2 Bücher die Woche, das könnte ich mir nie leisten, wenn ich die Bücher kaufen würde (ich gehöre daher noch zu denen, die man mit einem Amazon-Gutschein völlig glücklich machen kann). 

Ich bin in einem sehr aktiven Internet-Lesekreis, wo Bücher (und DVDs) unter einander ausgetauscht werden und dort lesen wir zum Glück auch immer die neusten Bücher. Wie soll das im eBook-Bereich gehen? Solange es da keine Tauschmöglichkeit gibt, dass man heruntergeladene Bücher und Filme ebenfalls untereinander verleihen  kann, ist es einfach eine teure Angelegenheit, wenn man wirklich alle Neuheiten lesen will, die einen interessieren. Ich könnte mir das dann nicht mehr leisten, ganz zu schweigen von den netten Kontakten, die mir dann ebenfalls fehlen würden. 

Ich sehe schon, auch für mich gibt es ist keine eindeutige Entscheidung für oder gegen eBooks und ePaper. Solange der Nutzen überwiegt bin ich aufgeschlossen, aber ich hänge auch noch am sinnlichen Vergnügen ein echtes Buch in der Hand zu halten.

Vielleicht wird es Bücher in ein paar Jahren mal als Luxusartikel geben, die man sich als etwas Besonderes gönnt. 

So, wie ich an besonderen Tagen ein Parfüm benutze, zu exklusiven Gelegenheiten schöne Kleidung trage oder mir etwas Delikates zum Essen gönne, lese ich in ein paar Jahren bestimmte Bücher in „altem“ Buchformat. Ein Genuss für zwischendurch, besondere Momente oder Bücher, die nur auf diesen Weg in Ihrem Zauber herüber kommen. 

Wer weiß?



Zum Schluß noch ein paar Fakten für Interessierte:

2009 sind gerade 830.000 eBooks verkauft worden, 2010 waren es 1,86 Millionen und  für 2011 werden 3,72 Millionen prognostiziert. Ab 2012 wird jährlich mit einer Verdoppelung der Verkaufszahlen gerechnet.

Während im Jahr 2010 in Deutschland also nur knapp 2 Millionen eBooks mit einem Umsatz von 21,2 Millionen Euro verkauft wurden, waren es in den USA im gleichen Zeitraum 114 Millionen eBooks mit einem Umsatz von 327 Millionen Euro.

30% der eReader Nutzer/innen ist über 55 Jahre, 21% zwischen 45 und 54 Jahren, 14% zwischen 35 und 44 Jahren, 18% zwischen 25 und 34 Jahren und 17% unter 25 Jahren alt. Damit sind über 50% der eReader Nutzer/innen über 45 Jahre alt. 

Am Tablet-Markt ist der Anteil etwas ausgeglichener. Hier sind 46% der Tabletnutzer/innen unter 35 Jahre alt. 61% der eReader Nutzer waren im zweiten Quartal 2011 weiblich, am Tablet-Markt immerhin noch 43%.

Die wichtigsten Verkaufsargumente für eBooks und eReader sind Mobilität, Platzersparnis, schnelle Verfügbarkeit, Umweltfreundlichkeit, geringes Gewicht und die Veränderbarkeit der Schriftgröße.

Einige Seiten zum Thema:







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