Samstag, 12. November 2011

Achtung Hochspannung!


 
Letzte Woche habe ich im Moosacher Anzeiger die Werbung für ein neues Fitnessstudio entdeckt. Genauer gesagt kein Fitness-Studio, sondern eine neue Einrichtung namens Body Street. Dort kann man sich jetzt mit der aktuellen EMS-Trainingsmethode fit machen.

Hier eine kurze Erklärung:
ElektroMyoStimulation wird in der Physiotherapie bereits seit Jahren erfolgreich zum Muskelaufbau angewendet. Das Prinzip ist einfach: Der Strom aktiviert und kontrahiert die Muskeln, die dadurch stärker werden. Der Vorteil liegt darin, dass alle Muskelgruppen gleichzeitig trainiert, die Impulse aber auch individuell geregelt werden können. Anhand von zehn Reglern kann man einstellen, wie stark der Strom in die jeweiligen Muskelgruppen fließen soll. Nach einer kurzen Anfangsphase, in der sich der Körper an den Strom gewöhnen kann, beginnt das Training: In Intervallen von vier Sekunden schießen die Elektroimpulse vier Sekunden lang durch den Körper , in dieser Zeit absolviert man dann die jeweiligen Übungen und arbeitet quasi gegen die aufgebaute Spannung.

Was mich angezogen hat, an der Anzeige, war die Schlagzeile:

Man kann mit 20 Minuten EMS so viel erreichen
wie sonst mit 8 x 45 Minuten herkömmlichem Krafttraining.

Wunderbar.

Es ist ja nicht so, dass ich noch nie im Fitnessstudio angemeldet war. Ich habe sie so ziemlich alle durch. Die ganz mondänen, wo man als Frau unbedingt modebewusst auftreten sollte. Hier ist es dann egal, ob man in dem schicken Dress trainieren kann. Wichtig ist, dass alles harmonisch aufeinander abgestimmt ist und man rein vom Outfit her so fit aussieht, als hätte man mindestens schon drei Trainingseinheiten hinter sich. Dass die einzige Trainingseinheiten im Stemmen von ebenfalls farblich aufeinander abgestimmten Energydrinks bestanden hat, muss ja niemand erfahren.

Auch die reinen Bodybuilding-Studios sind recht interessant, voraus gesetzt man steht auf animalische Stöhnkonzerte von Männern, die mehr Zeit vor dem Spiegel verbringen, als so manche Frau im Badezimmer.

Das Blöde an all diesen Einrichtungen ist, dass ich mich nach kurzer Zeit langweile und die Übungen nur noch automatisch und mit wenig Lust absolviere.

Eine Alternative wäre Nordic Walking. Für mich der Alibi-Sport schlechthin. Das Ganze kann man sehr schön im Olympia-Park beobachten. Hier schlendern den ganzen Tag Horden von Nordic Walkern hindurch, die mit hinterherziehenden Stöcken den neusten Klatsch und Tratsch austauschen. Natürlich ebenfalls in der Vollausstattung: zum Jogging-Anzug farblich passendes Stirnband (zum Simulieren des nicht vorhandenen Schweißes) mit bunten, schicken Turnschuhen, die wahrscheinlich noch nie etwas anderes als Gesprächstempo erlebt haben.

Zum Glück betrifft dies nur 80% der Nordic Walker, die Restlichen nehmen den Sport tatsächlich ernst und bei richtiger Ausführung bringt einem das sicher eine Menge. Ich halte es auch für sehr effektiv, kenne mich aber leider selber und weiß, dass es für mich ein reiner Sommersport wäre. Im Winter wenn es kalt ist oder vielleicht sogar noch schneit (das passiert in unseren Breitengraden ab und an) würde mich niemand auf die Straße oder sonst wohin bekommen. Also auch nichts für mich.

Mein innerer Schweinehund ist halt riesengroß, er hatte immerhin Zeit genug zu wachsen.



Wer kämpft schon freiwillig gegen so ein Monster? *g*

Deswegen hat mich ja die Anzeige so neugierig gemacht. 20 Minuten bekomme selbst ich hin und solange kann ich den Köter locker bändigen.

Allerdings bin ich auch von Natur aus misstrauisch gegenüber Werbeaussagen und –versprechen. So etwas überprüfe ich dann ganz gerne und da sowieso mein Urlaub vor der Tür stand, habe ich mich einfach mal zum Probetraining angemeldet.

Vorgabe der netten Dame am Telefon war:
Turnschuhe mitbringen, was Leichtes vorher essen und mehr nicht. Eigentlich keine Aufgaben, die schwer zu erfüllen wären.

Aber ich hatte ja nun Urlaub und endlich mal Zeit ein paar Dinge einzukaufen, die schon lange auf der Liste gestanden haben. Da das Einkaufszentrum in der Nähe des Studios liegt, habe ich beides schön verbinden können.

Kurz um, nachdem ich das Olympia-Einkaufszentrum der Länge und Breite nach durchforstet habe, bin ich total verschwitzt (…jetzt schon?) mit vollen Magen (…ist ein Kaiserschmarren mit Eierlikör und Mandeln nichts Leichtes?) und mit wehen Füßen (…komm, die Sonne scheint so schön, bis dahin kannst du doch kurz laufen) im Studio eingetroffen.

(Dass ich anstatt Begrüßung nicht „Wasser“ und „Stuhl“ geröchelt habe, sollte man mir schon anrechnen)

Nun wurde ich erst einmal sehr nett und kompetent über das eigentliche EMS-Training aufgeklärt, zusammen mit einigen grundlegenden Erkenntnissen zum Thema Fitness und Abnehmen. Letzteres ist dann schnell an meinen Ernährungsgewohnheiten gescheitert (--> siehe „Kochen, nein Danke“) und somit konnten wir anfangen.

Ich bekam einen netten schwarzen Dress gereicht und wurde damit in die Umkleidekabine geschickt. Meine Bedenken, dass mein nicht gerade feengleicher Körper in solchen enganliegenden, kurzen Sachen, kein anbetungswürdiger Anblick sei, wurde beiseite gewischt – sie hätten schon Schlimmeres gesehen (na, Gott sei Dank, da bin ich aber froh)
Ich hoffe, dass dies auch die vorbeilaufenden Fußgänger auf der Straße so sehen, da das Übungsgerät direkt vor der Schaufensterfront steht.

In der Umkleidekabine bin ich dann fast von einer Weichspüler-Welle erschlagen worden. Ist wahrscheinlich angenehmer bei so enger Kleidung, wenn sie nicht kratzt wie Sandpapier (wenn man nicht zu denen gehört, die ihren Weichspüler extra im DM-Markt kaufen, weil sie dort einen genialen „geruchslosen“ Weichspüler verkaufen)

Gut, ich stehe also in meinem nach Chemie duftendem, enganliegendem Trikot vor meiner Trainerin und sehe fasziniert zu, wie meine Trainingskleidung erst einmal nass gemacht wird. 

Ich erfahre, dass der Strom so besser durch die Haut zum Muskel geleitet wird. Hier frage ich mich zum ersten Mal, ob eine gesunde Neugier immer von Vorteil ist. Aber ja, Madam muß ja immer alles wissen und selber ausprobieren. Das habe ich nun davon.

Ich bekomme nun meine Weste à la „Mission Impossible“ angezogen, sie wird festgezurrt und durch Bein-, Arm- und Po-Manschetten ergänzt. Nachdem ich also aussehe, wie ein, in schwarze Kampfkleidung gepacktes, Michelin-Männchen kann es losgehen.

Der Strom wird nach und nach eingeschaltet, damit ich erst einmal ein Gefühl dafür bekomme.

Es beginnt erst langsam zu Kribbeln. Jede einzelne Körperpartie wird aktiviert und ich merke wie der Strom immer stärker wird und zum Schluss wie ein Wasserprasseln durch meinen Körper fließt. Etwas entsetzt stelle ich fest, dass ich nicht mal mehr die Hände zusammen bekomme um in die Grundstellung zu gehen.

Spannung soll ich aufbauen. 

Kann mir mal jemand erklären, wie ich das machen soll, wenn meine Glieder sich gerade selbstständig machen und mich nicht mehr als Chef der ganzen Maschinerie anerkennen???

Man kann.

Wir schalten den Strom noch einmal flacher, ich bekomme mit dem Gefühl des eben erlebten noch einmal alles erklärt und nun starten wir richtig durch.

Wir arbeiten uns von unten nach oben durch (oder war es umgekehrt?) und ich stelle fest, dass ich ein Weichei bin.

Das ist nun nicht die neuste Erkenntnis, kam aber in dieser Situation überraschend, da ich trotz alledem relativ schmerzunempfindlich bin und die Stromtherapie in der Physio (nach meiner Schulter-OP) immer als recht angenehm empfunden habe.

Hier kam ich allerdings in die Versuchung mit lautem Schrei 
„Ich bin schwach, holt mich hier raus“ zu flüchten.

Man kämpft quasi die ganze Zeit in 4 sek.-Abständen gegen die Impulse und schafft es manchmal kaum die erforderlichen Übungen durchzuziehen, da der Wiederstand so stark ist, dass man meint es nicht schaffen zu können. 

Wir haben dann an den schlimmsten Stellen den Strom etwas herunter gefahren und ich habe immerhin tapfer bis zum Schluss durchgehalten. 

Es ist nicht so, dass es weh tut, aber ich habe es einfach als unangenehm empfunden, weil man immer meint, da zerrt etwas an einem herum und kann nichts dagegen tun. Ich habe früher immer gerne die Augsburger Puppenkiste gesehen, jetzt durfte ich mal am eigenen Leib erleben, wie sich das Leben als Marionette anfühlt.

Vielleicht bin ich einfach zu sehr daran gewöhnt für die Bewegungen meiner Körperteile selber verantwortlich zu sein und dass da etwas mit mir geschieht was ich nicht beeinflussen kann (oder nur unter größeren Anstrengungen) ist einfach nicht mein Ding. Ich kann es nicht mal wirklich beschreiben.

Das mit dem Anfeuchten hätten wir uns übrigens auch sparen können. Nach gefühlten 5 Minuten gab es keine Stelle mehr an meinem Körper, die nicht nass geschwitzt war, so dass selbst die Wimperntusche verlaufen ist. Eitelkeit muss eben auch immer mal wieder bestraft werden.

Fakt ist, dass es mir trotz kompetenter Anleitung, bei der wir sehr viel Spaß hatten, nicht gelungen ist, mich wirklich auf die Übungen zu konzentrieren, weil ich die meiste Zeit nur an das Muskelzerren denken und dieses intensive Gefühl einfach nicht in die sportliche Richtung lenken konnte. Sollte allerdings innere Quengelei und Selbstmitleid das Trainingsziel gewesen sein, dann habe ich bestanden.

Das ist allerdings nur mein persönlicher Eindruck. Ich kann mir gut vorstellen, dass jemand mit mehr Willen und sportlichem Ehrgeiz hier wirklich sehr gute Trainingserfolge erzielen kann. Das Ganze ist recht einfach, man ist immer unter Aufsicht und nach 20 Minuten hat man das Gefühl einen Marathon überstanden zu haben. 

Wenn man zum Beispiel, so wie ich regelmäßig Schwimmen geht oder andere Sportarten betreibt, ist es zum Muskelaufbau sicherlich eine gute Ergänzung. Kurz und effektiv ist es tatsächlich und wenn die Trainer überall so nett sind, wie bei meinem Probetraining, dann macht es sicherlich auch viel Spaß. 

Probiert es ruhig einmal selber aus (kommt bitte nur nicht auf die Idee mich wieder mitzunehmen…)

Es hat auch nur drei Tage gedauert, bis ich meine geschundenen Muskeln zumindest wieder in Tastaturhöhe heben konnte, um euch von diesem hochspannungsgeladenem Ereignis in meinem Leben zu berichten. 

So kommt man schnell zu Haustieren, wenn sich der Schweinhund mit dem Muskelkater trifft – nette Gesellschaft, muss aber nicht wirklich sein. 

Ich bleibe beim Schwimmen, das macht immer noch Spaß und die ersten 6 Kilo habe ich damit auch vernichtet.

Mit diesem Fazit verabschiede ich mich dann auch und schalte den Strom ab...

*klick*

*Ende der Geschichte* 









3 Kommentare:

  1. Hahahaha ^^ Vielen Dank für deine bildliche Beschreibung! :) So fängt der Tag gut an und ich weiß, dass ich sowas nicht testen muss.
    LG Tanja

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  2. Wenn du es dir noch überlegen solltest, kann ich dir gerne die Adresse geben *ggg*

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  3. Ich müsste es auch nicht wirklich haben :-) Hätte aber gerne zugeschaut ;-)

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