Montag, 8. August 2011

Ab jetzt nur noch im Jogginganzug?


Nachdem ich gestern Abend ein neues China-Taxi ausprobiert habe, welches wohl leider mit Zutaten gearbeitet hat, die nicht mehr so ganz frisch waren (oder der Hund war alt) habe ich einen ziemlich üblen Morgen hinter mir. Zumindest würde das mein Magen so formulieren.

Gegen Mittag fiel mir dann aber ein, dass unbedingt ein Brief zur Post muss. Den wollte ich eigentlich morgens mitnehmen auf dem Weg zur Arbeit. Getreu dem Grundsatz keine Arme – keine Kekse, in diesem Fall keine Arbeit – keine Post, ist dies ja nun  ausgefallen.

Ich mich also in meinen Jogginganzug geschmissen, notdürftig zurecht gemacht, was bei mir die Umschreibung ist für: Zähne geputzt, gewaschen, ungeschminkt. Bevorzugt eingesetzt beim Gang zum Mülleimer oder samstäglichen, frühmorgendliche Schnelleinkäufen beim Aldi. Oder eben wahlweise für den Weg zur Post.

Das war dann auch schnell erledigt, ist ja nicht weit. Vor der Post ist mir dann aufgefallen, dass mit meinem Fahrradständer etwas nicht gestimmt hat, irgendwie war da was verbogen und ich bekam ihn nicht wieder gerade. Hinter mir hab ich dann nur gehört: „Na, junge Frau, so was Hübsches sollte sich doch nicht die Finger schmutzig machen.“ Etwas ungläubig habe ich mich umgedreht, aber außer mir was da niemand, auf den die Beschreibung eher gepasst hätte. 

Vor mir stand ein etwas korpulenter Herr, der fix noch ein bisschen näher kam und gleichzeitig eifrig anbot „er würde sich gerne mal kurz um meinen Ständer kümmern“. 
Öhm ok, solange das keine gegenseitige Hilfestellung werden soll (was ich natürlich nur gedacht und nicht ausgesprochen habe, bin ja gut erzogen)

Er bekam es dann auch schnell hin und bot mir an, ich könne ihn jederzeit gerne anrufen, da er sehr geschickt in handwerklichen Dingen sei. Völlig perplex habe ich nur geantwortet, ich würde es mir merken und bin dann weiter.

Dafür war jetzt ein Besuch in meinem Stamm-Café gegenüber der Post fällig. Vorsichtig bei der netten Bedienung nachgefragt, ob sie auch einen beruhigenden Tee für meinen gepeinigten Magen hätte und schon habe ich mich ins hinterste Eck verzogen. 

Ich bin jetzt nicht wirklich eitel, aber mit dem ungeschminkt rausgehen ist da so eine Sache, zumal ich mich von Haus aus nur wenig schminke. Aber ich habe nun mal  winzige Schweinchenaugen, die man nur sieht, wenn man etwas mit Farbe winkt, damit derjenige der mir tief in die Augen schauen möchte, zumindest ein ungefähre Richtung weiß.

 
Jeder kennt halt seine Schwachstellen und dies ist meine. 
Oder zumindest eine davon. 
Glaube ich.

Ich würde normalerweise auch nicht gerade im Jogginganzug herumlaufen, das gehört bei mir zum Sport oder zum bequemen Aufenthalt zuhause auf der Couch. Ich  habe ja nun nicht gerade die Traumfigur, sondern gehöre eher zur Fraktion „Nicht perfekt, aber mit Ausstrahlung“. Hat man mir zumindest schon öfter gesagt, in mehr oder weniger ähnlichen Formulierungen. 

Und weil ich schon gerne irgendwann mal wieder hätte, dass jemand diese Ausstrahlung bemerkt und mich anstrahlt, ja…. darum gehe ich halt nicht mit Jogginganzug in die Öffentlichkeit. Auch wenn ich darin immer noch besser aussehe als Cindy aus Marzahn (da bestehe ich drauf)

Darunter gibt es eigentlich nur noch Leggins. Am bestens noch Glänzende. Das männliche Pendant dazu ist der mehrfarbige Flugseiden-Jogginganzug. 

Nach dieser Einführung darf es dann wohl keinen überraschen, dass ich mich bei dem Satz vom Nebentisch nicht wirklich angesprochen gefühlt habe.

„Wie macht ihr Frauen es nur immer, dass bei euch alles so zusammenpasst. Ihr müsst wahnsinnig viel Zeit haben?“ Das Ganze als Frage formuliert.

Ich habe mich weiter mit meinem Handy beschäftigt (ich liebe Cafès mit kostenlosem WLan) und fühlte mich überhaupt nicht angesprochen. 

Die nächste Frage war dann leider ziemlich eindeutig „Ist Lila deine Lieblingsfarbe?“. Da außer mir nur noch zwei ältere Damen im Café saßen, beide in einem zartbeigen Ensemble, musste ich wohl doch gemeint sein. 

Ein kurzer Blick und ich wusste es war ein Fehler meinen Kräuter-Tee nicht in der Apotheke zu kaufen und im stillen Kämmerlein zu trinken.

Vom Nebentisch beäugte mich ein Herr, dessen Alter ich ungerne schätzen möchte (ich liege meist daneben und das wird dann oft peinlich). Egal wie alt er war, er hat versucht die Anzeichen dafür dezent zu überspielen. 

Das geht zum Beispiel mit wenigen Haaren ganz einfach. Man klatscht einfach nicht die empfohlene Haselnussgröße in Form von Gel in die Haare, sondern die einer Kokosnuss. Wenn alles dann so nett anliegt, lässt es sich schön formen und dort hinlegen, wo normalerweise nichts mehr ist (oder wenn ich noch keine 20 bin bevorzugt mitten ins Gesicht). Da fallen mir spontan immer wieder  Begriffe wie unappetitlich und unerotisch ein. Auch wenn ich zu den verbleibenden 50ger-Jahre-Fans gehöre, mit einer Vorliebe für den guten alten Rock`n`Roll, ich wäre damals auch erst mit meinem Freund gemeinsam duschen gegangen, ich bin mir sicher.

Nun denn, mein gegelter Freund vom Nebentisch sah mich immer noch bedeutungsvoll an. Ich war mir nicht sicher was ich sagen sollte, denn ich wollte auf keinen Fall ein längeres Gespräch. 

Ein kurzer Blick an mir herunter und ich wusste zumindest was er meinte. Ich hatte meinen lilafarbenden Jogginganzug an, genau in der passenden Farbe Schuhe und einen Einkaufskorb/Tasche, der mit lilafarbenen Bändern eingefasst ist. Das hat alles nichts mit sorgfältig aussuchen zu tun, sondern mit Bequemlichkeit. 

Wenn ich etwas gut finde, versuche ich es mir solange wie möglich zu erhalten. Ein Freund hat mal gesagt: „Du versuchst immer komme was wolle, deine ganzen Gut-Gefühle aufzubewahren, damit du solange wie möglich etwas von hast“ Ich habe damals schon nicht verstanden warum das verkehrt sein soll. 

Gut, ich übertreibe manchmal ein wenig. Wenn ich z.B. einen Pullover finde, in dem ich mich gut fühle, kaufe ich ihn nicht selten 2- oder 3-mal, damit ich lange etwas von habe, falls mal einer davon auseinanderfallen sollte. Wenn ich Glück habe, kriege ich wenigstens unterschiedliche Farben, wenn nicht, dann eben in einer Farbe.

Wenn ich dann eine Farbe gut finde, hält das ebenfalls lange an und im Laufe der Zeit vergrößert sich meine Garderobe halt in dieser Farbe. Ich hatte schon meine grünen Jahre, türkisfarbene, rosa und nicht zu vergessen meine jahrelange Blauphase. Momentan ist Lila angesagt. Das hat dann eben zur Folge, dass ich einfach nur in meinen Schrank greifen muss und schon passt alles zusammen. Weil fast alles Lila ist oder Farben die dazu passen. So einfach ist das.

Allerdings würde ich das nicht mal meinem Gegenüber erzählen, denn etwas verrückt ist es ja schon, so realistisch bin ich.

Ich habe dann versucht mich mit einer Standardfloskel aus der Affäre zu ziehen: „Sie wissen doch, wir Frauen haben so unsere Geheimnisse“ bewusst nicht auf sein Duzen eingehend. Leider war er gegen alle unterschwelligen Signale resistent und meinte von sich geben zu müssen: „Und wir Männer sind dazu da um sie herauszufinden“, nicht ohne sich dabei in seine Lacoste-bekleidete Brust zu schmeißen (nimmt man die Marke eigentlich heute noch zum Angeben?)

Nun ja, da ich mittlerweile nicht mehr wusste, ob mein Unwohlsein und erneutes Grummeln in der Magengegend mit dem China-Imbiss von gestern oder meinem Gegenüber zu tun hat, habe ich es vorgezogen mich lieber wieder in die Nähe meiner eigenen Toilette zu begeben und mich mit einem „Schönen Tag noch“ verabschiedet.

Nun sitze ich hier, freue mich auf die erste Nahrungsaufnahme in Form einer Hühnersuppe und sinniere so vor mich. Sollte ein Jogginganzug sexy sein? Kann man im Schlabberlook eher jemand kennenlernen, als aufgehübscht und durchgestylt?

Das nächste große Ausgehen ist zur Wiesn geplant. Vielleicht sollte ich da mal den lilafarbenen Jogginganzug, anstatt mein langes Dirndl..... Ok, das ginge dann doch zu weit. Dann hätte ich im letzten Jahr auch nicht über die Zusammenstellung Dirndl und FlipFlops lästern dürfen oder Dirndl und Overknee-Stiefel. Was mir als Zugereiste sowieso nicht zusteht. Das Lästern meine ich. 

Naja, da die heutigen Kandidaten der „Ich-quatsche-dich-auf-der-Straße-an-Show“ auch nicht wirklich in mein Beuteschema gepasst haben (habe ich überhaupt noch eins, nach 6 Jahren Single?) werde ich mich doch lieber wieder etwas zurechtmachen, vor dem nächsten Weggehen. 

Aber wer weiß, vielleicht treffe ich meinen nächsten Mann ja dann doch beim Aldi?