Sonntag, 26. Juni 2011

Ab wann ist man erwachsen?

Ich bin letzte Woche 47 Jahre alt geworden. Das ist für mich ein Alter, wo man behaupten kann, es könnte zu einem Erwachsenen gehören. Wenn ich von einem fast 50jährigen Menschen spreche, würde ich selber sagen, so ein mittlerer bis älterer Jahrgang, je nachdem wie derjenige sich darstellt. Wenn ich in Kontaktanzeigen dieses Alter lesen würde, wäre mein erster Gedanke „ach, lieber jemanden in meinem Alter“. Ich weiß ja, es klingt verrückt, aber ich muss mich oft zwingen,  daran zu denken, dass ich schon genauso alt bin.

Irgendwie habe ich da wohl eine Entwicklungsstufe ausgelassen, zumindest in meinem Kopf. Geht das nur mir so?

Genau, da haben wir gleich schon ein  gutes Beispiel. Welche erwachsene Frau bastelt sich ihre SMS/MMS-Bildchen am PC selber? Und benutzt sie auch noch leidenschaftlich gerne? 

Andere schreiben da niveauvolle Texte und schicken im Höchstfall mal ein klassisches Zitat mit. Aber nein, ich brauche meine Bildchen, über 1000 sind es mittlerweile und ich habe immer noch Spaß daran. Zu meiner Verteidigung sollte ich aber sagen, ich bastele auch Lesezeichen mit individueller Note, das klingt doch tatsächlich schon ein wenig erwachsener, oder?

Ich bin sowieso jemand der sich selten mit ernsten Themen beschäftigt (das Leben selber ist oft ernst genug). Das heißt nicht, dass ich mir keine Gedanken mache, aber sie drehen sich meist um meine Mitmenschen, um Tagesereignisse oder Dingen die mir ansonsten Spaß machen. Für tiefgreifende wissenschaftliche oder politische Diskussionen bin ich definitiv nicht geschaffen und mit mir die wirtschaftliche Weltlage zu analysieren dürfte auch schwer fallen, das halte ich keine 10 Minuten durch. Ich würde mich trotzdem nicht als oberflächig bezeichnen, meine Interessen sind nur anders verteilt und ich habe gelernt, dass es auch nichts bringt sich über Dinge den Kopf zu zerbrechen, die ich weder ändern noch wirklich beurteilen kann.

Aber zurück zum Erwachsenensein. Meine Oma hat an meinem 30. Geburtstag gesagt "Kind jetzt ist fast alles wieder vorbei" - ich konnte ihr damals schon nicht folgen. 

Aber irgendwo in dieser Zeit bin ich wohl steckengeblieben, zumindest kopfmäßig. Ich denke immer noch so wie vor 20 Jahren, müssten meine Gedanken nicht langsam gesetzter und reifer werden? Dann würde ich wahrscheinlich auch nicht so entsetzt schauen wie gestern, wo mir ein gutaussehender Mitdreißiger seinen Platz in der vollbesetzten S-Bahn angeboten hat. Anstatt froh zu sein, dass ich sitze kann, frage ich mich ernsthaft, wann man angefangen hat mich in dem Alter zu siezen und mir den Platz frei zu machen?

Andere 40-50jährige sind für mich die Erwachsenen, aber ich? Kommt das wohl noch? Stehe ich irgendwann morgens auf und gehöre dazu? Oder erhält man sich seine jugendlichen Gedanken und kann damit sogar alt werden?

Gut, ich gebe zu, als gesetzte Seniorin mit schlohweißem Haar (zumindest bei meiner Oma und Mutter sieht das so aus, da bleibt sicher was für mich übrig...) würde eine Mickey-Maus-Einkaufstasche schon seltsam wirken. Aber andererseits begleitet mich diese Leidenschaft schon seit meiner Kindheit und dies kleine, freche Figur schafft es immer wieder mich zu begeistern und verschafft mir gute Laune, wo immer sie mir begegnet (zugegebenermaßen, in meiner Wohnung recht oft) ich freue mich immer noch wie ein kleines Kind, wenn ich etwas mit Mickey-Motiv geschenkt bekomme und ja, ich oute mich da gerne, ich trage auch noch Kleidungsstücke, wo mir sein Antlitz entgegen lacht. Was soll`s?


Meine Wohnung sieht an einigen Stellen sowieso aus wie ein Spielzeugland, da fallen die paar Figuren dann auch nicht mehr auf. Ich mag es halt verspielt und das wird sich zumindest nicht kurzfristig ändern.

Außerdem lache ich gerne, quatsche gerne dummes Zeug, nehme Leute auf den Arm und habe gerne meinen Spaß, egal ob mit mir alleine oder mit anderen. Aber Lachen im Alter ist ja Gott sei Dank auch nicht verboten ;-)
 
Aber das sind eigentlich alles Eigenschaften, die man jedem normalen Menschen zugestehen sollte, was macht einen also erwachsen? Ich trage auch nicht mehr Verantwortung wie früher, da ich alleine lebe und für niemand anderen sorgen muss. Ich sehe meine Umwelt nicht anders als vor Jahren, vielleicht wenn überhaupt mit etwas weniger Toleranz, denn diese nutzt sich langsam ab, wenn man in unserem Land so herumschaut.

Ich handele immer noch recht impulsiv, bin ungeduldig und überlege meist hinterher was hätte passieren können. Andererseits bin ich aber auch jemand, der alles durchplant, Termine gern vorher weiß und die meisten Teile doppelt daheim hat, falls sie mal ausgehen. Das habe ich aber auch schon mit zwanzig gemacht, ein bisschen Perfektionismus steckt halt in jedem und hat auch nichts mit dem Alter zu tun.

Ich weiß, dass ich für meine Taten selber verantwortlich bin und dass nur ICH etwas aus meinem Leben machen kann, anderen sollte ich das nicht überlassen. Wenn sich meine Wünsche nicht erfüllen, dann kann ich dafür niemandem die Schuld geben, entweder es sollte einfach nicht sein oder ich habe zu wenig dafür getan. Ändern kann ich daran nichts und man muss sich dann einfach neue Träume erschaffen und Wünsche erfüllen.

Wie sagte schon Henry Ford:
Misserfolg ist lediglich eine Gelegenheit, mit neuen Ansichten noch einmal anzufangen.

Vielleicht ist es auch das Fehlen jeglicher Midlife Crisis. Ich habe kein Problem mit meinem Alter (wenn man mir nicht gerade einen Platz in der S-Bahn anbietet *g*) Ich scherze zwar oft darüber, mit den typischen Satzanfängen „In meinem Alter…“ aber es stört mich nicht wirklich. Was ich nicht fühle, kann mich auch nicht stören, so einfach ist das.

Wenn ich mich überhaupt jemals erwachsen gefühlt habe, dann beim unerwarteten Tod meines Vaters im letzten Jahr, weil mir zum ersten Mal bewusst geworden ist, wie vergänglich alles ist, indem ein geliebter Mensch einfach aus meinem Leben verschwindet, ohne dass ich irgendetwas dagegen tun kann, so hilflos habe ich mich noch nie gefühlt. Seitdem lebe ich zumindest ein wenig bewusster und erfreue mich noch mehr an dem was ich habe.

Im Übrigen rutschen mir tatsächlich manchmal Sätze heraus, für die ich meine Eltern auf kindliche Weise gehasst habe. Habe ich letztens wirklich gesagt „Das hätte es zu meiner Zeit nicht gegeben?“ oder „Wenn du erst mal in mein Alter kommst, dann wirst du das sicher auch so sehen?“ 

Schluck… sollte ich erwachsen geworden sein, ohne es zu merken?


Ach Quatsch, ich doch nicht! 

Und wenn doch...? 

Dann ist es auch egal ;-))

5 Kommentare:

  1. Ach dieses Thema beschäftigt mich auch schon mit meinen "jungen" 20 Jahren ^^
    Nur weil der wichtige Lebensabschnitt "Studium" nun begonnen hat und ich dann auch noch "sowas ernstes" (Jura) studiere, gehen alle Menschen davon aus, dass ich ein stiller ernsthafter Mensch bin, der sich wohl schon ernsthaft um die Familienplanung bemüht.
    Ääääh... Nein!
    Ich schlafe immernoch mit meinem Teddy im Bett, und ich singe lautstark und tanze durch meine Wohnung (auch direkt vor meinem Fenster *lach*), und ich lache lautstark auch an öffentlichen Plätzen (selbst wenn sich das nicht immer gehört), und ich liebe KinderSchokolade, und ich rutsche im Freibad die Kinderrutschen und kreische wie ein kleines Mädchen... usw.
    Aber so macht das Leben doch erst Spaß! :) Die spießigen Erwachsene sind immer andere! ^^
    Dein Schreibstil ist echt toll Petra! Lese deinen Blog sehr gerne und erkenne mich sehr oft wieder. :)

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  2. Kinderschokolade, die habe ich vergessen aufzuzählen *lach*

    Vielleicht schaffen wir es ja alt zu werden, ohne dieses komische Erwachsensein ;-)

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  3. Ab wann ist man erwachsen ? Ab dem Zeitpunkt, wenn man selbst Kinder hat. Ging mir zumindest so. Und die kindliche Seite, die kriegt jetzt meine Tochter ab, wenn ich mit ihr lautstark durchs Zimmer hüpfe/tanze oder ihren Teddy knuddele... bin ich etwa doch noch nicht erwachsen ? ;o)

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  4. Oh, da geht es mir ähnlich und ich habe ein Kind. Bin fast 44 und hadere seit meinem 40. Geburtstag mit dem "Alter", mit dieser Zahl!
    Ich fühle mich - auch als Mutter - absolut nicht erwachsen, ich denke noch wie vor 20 Jahren (bilde ich mir zumindest ein), ich mag Ü-Eier und historische Romane, in denen ich versinken kann, ich mag die Musik von vor 20 Jahren, und wenn ich einen jungen knackigen Burschen sehe, dann möchte ich instinktiv mit ihm flirten und muss mich dann zurückhalten, weil ich denke, ich bin doch schon viel zu alt für den Jungspunt, wie peinlich, mich da vielleicht anzubiedern und mir einzubilden, der könnte mit mir flirten wollen! Aber rein vom Gefühl her... wäre da eigentlich kein Unterschied.
    Menschen mit 50 sind definitiv zu alt für mich - dabei ist es ja nicht mehr lang hin.

    Meinen Sohn beneide ich darum, dass er Kind ist - ja wirklich. Manchmal lege ich mich in sein Bett und stelle mir vor, ich wäre das Kind. Finde ich schön, hätte ich gern nochmal. ;)
    Ich kann mich auch durchaus für seine Spiele begeistern und mit ihm auf dem Boden sitzen und Autos über den langen Flur hin und her jagen und mit ihm jubeln, wenn 2 zusammengekracht sind.

    Erwachsen? Was ist das? Selbst die junge Mutter nebenan mit ihren zwei kleinen Kindern scheint mir erwachsener zu sein als ich es bin.

    Welcome to the club!

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  5. Ich bin froh zu lesen, dass es nicht nur mir so geht. Wenn mich demnächst jemand wieder mit diesem Werd-endlich-Erwachsen-Blick anschaut, strecke ich ihm oder ihr einfach die Zunge heraus und sage: Na und, so bin ich halt, wen störts? :-))

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