Sonntag, 4. September 2011

Heute schon gegoogelt?

Es gibt immer wieder Leute, die sich über die zunehmende Amerikanisierung unserer Sprache ärgern. Ich selber finde das eine oder andere auch unsinnig, besonders dann wenn etwas Einfaches einfach nur dadurch aufgewertet werden soll. Da fährt der Hausmeister auf einmal mit einem Auto durch die Gegend auf dem großartig „Facility Manager“ steht und die Imbissbude um die Ecke sucht „Counter-Services mit face-to-face-contact“. Egal wie simple ein Job auch ist bei dem man mit Kunden zu tun hat, es ist zumindest ein „Key Account“ wert. Die Sekretärinnen werden durch die „Office-Managerinnen abgelöst… das könnte man noch endlos fortsetzen. Naja, wer`s braucht.

Andererseits sind aber viele Begriffe fest verankert in unserem Sprachgebrauch und man kann sie fast nicht mehr wegdenken. Heutzutage machen wir keinen Dauerlauf mehr, wir gehen Joggen oder machen Nordic-Walking. Der Lieblingsradiosender spielt die TOP Twenty und wir gehen nach der Arbeit noch kurz auf die After-Work-Party oder besuchen eine Wellness-Oase. Von der Computer-Welt fange ich gar nicht erst an.

Aber ist das denn wirklich so schlimm?

Die meisten dieser Begriffe haben sich als „Normal“ eingeschlichen, weil es sich viel flüssiger und besser aussprechen lässt oder es einfach kurz und bündig einen Zustand beschreibt, der sonst schwerer zu erklären wäre.

Was soll ich groß und breit beschrieben, wenn ich etwas einfach nur „cool“ finde und will ich wirklich nach der Arbeit einen Entspannungsplatz aufsuchen oder zu einer Feierabend-Feier gehen? Wenn ich Hunger auf „Fast Food“ habe,  weiß jeder was gemeint ist und keiner vermutet, das ich wenig Zeit habe, weil ich ein schnelles Essen haben möchte. Ich finde das alles gar nicht so schlimm und habe auch viele Wörter übernommen, ohne heute noch großartig darüber nachzudenken.


Ich blogge auch weiterhin, anstatt „meine Tagebuch-Einträge im Internet zu veröffentlichen“, was es ebenfalls nicht hundertprozentig treffen würde, wollte man es genau beschreiben. Also bleibe ich doch lieber beim Begriff „Blog“, da weiß dann jeder was ihn erwartet.

Ich höre mir eher englische Wörter in einer flüssigen Unterhaltung an, als so manchen Dialekt ohne grammatikalische Unterstützung, da bin ich ebenfalls ehrlich.

Was ich viel faszinierender finde, ist, dass man sich auch etliche  Institutionen nicht mehr aus unserem Alltag wegdenken kann. Am deutlichsten fällt mir das an Google auf. 

Hand aufs Herz: wann habt ihr das letzte Mal, wo ihr etwas wissen wolltet, ein Lexikon zur Hand genommen? Ich kann mich da gerne als Erste outen, seid es Google und Wikipedia gibt, verstauben sie in meinem Regal.

Wenn jemand heutzutage eine Frage stellt, kommt meist als Antwort: hast du es schon gegoogelt? Das kann ich sogar bei mir im Büro beobachten, wo es noch einige Kollegen gibt, die mit Computern kaum zu tun haben und das Internet für gefährlich halten. Trotz alledem nutzt jeder automatisch Google (oder eine der anderen Suchmaschinen) und will man Hintergrundinformationen oder geschichtliche Daten auf die Schnelle abrufen landet man unweigerlich bei Wikipedia oder ähnlichen Seiten.

Was haben wir denn früher gemacht ohne Google & Co.

Wir haben Telefonbücher gewälzt, bei Veranstaltern angerufen, Lexika durchgearbeitet und den Duden durchblättert. Sind von Geschäft zu Geschäft gezogen um bestimmte Sachen zu suchen, haben Zeitungen zerlesen auf der Suche nach Stellen und Wohnungen. Nach Personen suchen wäre ein Riesenaufwand geworden, einige Sachen die man nur vage weiß, hätten uns recht viel Zeit und Nerven gekostet, weil man nicht einmal wusste, wo man mit der Suche beginnen sollte. Das ist heute alles Vergangenheit. Man googelt schnell und erfährt oft mehr als man wissen wollte.

Lässt man sich nicht verleiten, von Link zu Link zu springen und immer mehr zu entdecken, dann erspart es einem Zeit und Nerven, was will man also mehr.

Ich verirre mich auch nicht mehr ganz so oft, seitdem ich mir meine Routen vorher online ansehe und ausdrucke. 

Ich bin informierter, seitdem ich meine Nachrichten per Push-Up zugeschickt bekomme und kann vorher noch auswählen, was mich interessiert und was nicht.
Ich bekomme mehr vom Alltag meiner Freunde mit, vor allem von denen, die Twitter und Foursquare benutzen. 

Ich gestehe allerdings auch, dass ich manchmal mehr vom Alltag vieler Facebook-Freunde mitbekomme, als ich eigentlich wissen wollte, seit dem diese ihren Status bei facebook posten (manches will man sich einfach nicht bis ins kleinste Detail vorstellen)

Last but not least… was habe wir früher für Telefonrechnungen gehabt, bevor wir angefangen haben zu „simsen“? Auch die kurze Info zwischendurch oder ein Lächeln während der Arbeit oder über Entfernungen zu schicken, war telefonisch meist nicht möglich, mit SMS aber alles kein Problem.

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich fühle mich durch diese neuen Wörter und Aktionen nicht in meinem Deutschsein bedroht, denn der Nutzen überwiegt eindeutig. Wie viel davon ich zulasse und wie viel ich davon annehme, bleibt ja immer noch mir überlassen und es gibt wichtigeres, als sich über angloamerikanische Begriffe in der Zeitung, im Fernsehen oder wo auch immer aufzuregen – die Nachrichten in denen sie benutzt werden finde ich da wesentlich  schlimmer und bedrohlicher.

Und manchmal kann man einfach nur herzhaft darüber lachen:


Danke an Steffen Lukas 
(Das Sinnlos-Telefon von Radio PSR)
für diesen lustigen Beitrag ;-) 

©Radio RPS




1 Kommentar:

  1. Christine / scorpy16114. September 2011 um 12:06

    Mit Deinem Beitrag hast Du mich "kalt" erwischt :-)

    In meiner Alltagssprache finden sich viele englische Begriffe wieder. Zum Teil ist das auch beruflich bedingt, wo wir viel mit Englisch zu tun haben. Aber mir passiert es ganz gerne, wenn ich etwas "strange" finde oder von jemanden erzähle, den ich als "tough" beschreibe, dass mein Mann mich fragt, ob ich nicht Deutsch reden kann. Dann weiß ich nicht, soll ich jetzt amüsiert sein oder sollte mir das doch zu denken geben???
    Ich bin so erzogen worden, dass auf die korrekte deutsche Sprache viel Wert gelegt wurde, also auch, was Grammatik anbelangt. Und was ich da so in der näheren Umgebung so mitbekomme ... das lässt mich mehr schaudern als manche englische Bezeichnungen.

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